Was macht Berührung mit der Seele
Sobald ein Säugling zur Welt kommt, ist er von Berührung abhängig. Zärtlichkeit erdet, beruhigt und gibt Sicherheit. Und wenn sich die Psyche entspannt, folgt auch der Körper: Berührung hat die Macht, den Puls zu beruhigen, Angst abzuschütteln und sogar das Immunsystem zu stärken. Doch was passiert mit Körper und Seele, wenn Berührungen längere Zeit fehlen – wie im letzten Jahr, als Abstand plötzlich lebenswichtig war? Wie beeinflusst es unser Verhalten und Wohlbefinden, wenn alltägliche Gesten wie ein Schulterklopfen, ein Händedruck oder das Über-den-Arm-Streichen fehlen?
Diese Frage untersucht ein Forscherteam rund um die Münchner Psychologieprofessorin Merle Fairhurst in einer Studie, die durch den weltweiten Lockdown angestoßen wurde. Mehr als 1.700 Menschen haben seit Mai 2020 daran teilgenommen. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass jüngere Menschen die Auswirkungen der Isolation stärker spüren als ältere. Sie berichten öfter von Einsamkeit, depressiven Verstimmungen und Lethargie. Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist jedoch auch, dass sich 15 Prozent der Befragten immer noch zu oft berührt fühlen. „Nicht jeder hat den gleichen Hunger nach Berührung“, schlussfolgert die Professorin Merle Fairhust daraus. Zugegeben: Es gibt Momente und Situationen, in denen jeder auf enge Kontakte gern verzichten würde. Man denke nur an übervolle Busse, unangenehme Händedrücke oder einfach daran, an einem „Bad-Hair-Day“ aus dem Haus zu gehen … Die Kernbotschaft von Psychologin Merle Fairhurst ist: „Wir können das Beste aus dieser schwierigen Situation machen, um die Berührung wieder in den Fokus zu rücken und uns grundlegende Fragen zu stellen: Was bedeutet für mich Berührung? Von wem werde ich gern berührt? So werden wir es noch mehr wertschätzen, wenn wir die Menschen, die wir gernhaben, endlich wieder umarmen dürfen.“
„Wertschätzung“. Das Wort liegt auch den Spa-Mitarbeiterinnen im Wald & Schlosshotel Friedrichsruhe auf der Zunge, wenn sie beschreiben, wie sich der Kontakt zu den Gästen durch die lange Zeit des Abstand-Haltens verändert hat. „Die Gäste kommen heute seltener mit dem Handy herein – und sie verlassen die Massageliege mit einer größeren Dankbarkeit und Herzlichkeit als früher“, beschreibt die Kosmetikerin und Massagetherapeutin Anna Annett Albinus. Körperliche und seelische Nähe hängen eng miteinander zusammen. Bei einer Seifenbürstenmassage oder Gesichtsbehandlung kommen viele Gäste ins Plaudern. So haben die Spa-Mitarbeiterinnen auch früher schon viele tiefe Gespräche geführt. Doch auch die seien jetzt noch intensiver und persönlicher geworden, sagt Anna Annett Albinus. „Viele Menschen haben während der
langen Zeit des Alleinseins ihre Gedanken sortiert: Was ist mir wirklich wichtig? Und so können sie den Raum und die Zeit für eine schöne Massage auch mehr genießen. Sie geben sich jetzt stärker die Erlaubnis, abschalten zu dürfen und die Zeit zu nutzen, um mit allen Sinnen aufzutanken.“
Die Haut hat viele lebenswichtige Funktionen: Sie schützt den Körper vor Umwelteinflüssen, speichert Energie im Fettgewebe, reguliert den Wärme-, Wasser- und Salzhaushalt. Und sie ist das größte Sinnesorgan des Menschen. Eine angenehme Berührung wie eine Massage stimuliert das zentrale Nervensystem und schüttet Oxytocin aus. So werden Stresshormone abgebaut und zugleich das Abwehrsystem gestärkt, denn Stress unterdrückt wichtige Immunfunktionen des Körpers. Wichtig sei dabei die Art der Berührung, so Anna Annett Albinus: „Ich streiche bei einer Massage sehr langsam über die Haut. Sobald die Gäste in eine tiefe Entspannungsphase kommen, verändern sich die Strukturen und Formen des Fühlens im Gehirn.“
Und noch etwas verändert sich durch Berührung: das Miteinander! Körperkontakt ist gut für die Gruppendynamik, das ist wissenschaftlich erwiesen. US-Forscher haben in der NBA-Saison 2008 / 2009 das Berührungsverhalten von Basketballteams untersucht. Ihre Erkenntnis: Teams, die sich in der ersten Hälfte der Saison besonders oft abklatschten oder freundschaftliche Schulter-Boxer verteilten, zeigten in der zweiten Hälfte der Saison eine signifikant bessere Leistung. Zudem gaben in diesen Teams die Star-Player öfter den Ball ab.
Die Spa-Mitarbeiterinnen im Wald & Schlosshotel Friedrichsruhe bestätigen das. Privat genauso wie im Berufsleben nehmen sie wahr, dass das Vertrauen und Verständnis füreinander in den Monaten der Distanz nachgelassen hat. Umso schöner, dass sich das jetzt wieder ändert. Und dass die Gäste ihre Dankbarkeit so deutlich zeigen.
„Man hat jetzt allgemein wieder mehr Wertschätzung, auch für den eigenen Beruf“, findet die Massagetherapeutin Hannah Herrmann. Und ihre Kollegin Tina Buchheim bestätigt: „Ich spüre auf jeden Fall, dass ich mich für den richtigen Beruf entschieden habe. Was uns im letzten Jahr weltweit umgetrieben hat, hat mit Gesundheit zu tun und wie man mit ihr umgeht. Es ist aber nicht nur das Körperliche gemeint, sondern auch die seelische Gesundheit. Und da passen wir mit unseren Gesundheitsberufen absolut rein. Wir können unseren Gästen aus so vielen Perspektiven helfen: Dass sie sich besser fühlen, dass sie die Balance im Leben finden, dass Sie mehr in Harmonie mit der Natur leben.“ Berührung und menschliche Nähe sind der Schlüssel dafür.